Agile
February 12, 2025

Work in Progress

Die Reduzierung des Work in Progress (WIP) ist eine der sechs zentralen Kanban-Praktiken. In Agenturen ist ein zu hoher WIP-Wert oft ein großes Problem, da er zu Verzögerungen, Ineffizienz und überlasteten Teams führt. Doch warum ist das so? Hier sind die häufigsten Gründe für ein zu hohes WIP – und einige Maßnahmen, die man dagegen unternehmen kann.

Work in Progress reduzieren – Warum Agenturen an zu vielen Aufgaben gleichzeitig arbeiten

Die Reduzierung des Work in Progress (WIP) ist eine der sechs zentralen Kanban-Praktiken. In Agenturen ist ein zu hoher WIP-Wert oft ein großes Problem, da er zu Verzögerungen, Ineffizienz und überlasteten Teams führt. Doch warum ist das so? Hier sind die häufigsten Gründe für ein zu hohes WIP – und einige Maßnahmen, die man dagegen unternehmen kann.

Die Hauptgründe für zu hohen WIP in Agenturen

1. Blocker und Abhängigkeiten

Viele Aufgaben in Agenturen hängen von externen oder internen Faktoren ab. Dazu gehören:

  • Kundenfeedback und Freigaben – Verzögerungen durch lange oder unklare Abstimmungsprozesse.
  • Interne Kommunikation – Wichtige Informationen fehlen, werden zu spät oder falsch weitergegeben.
  • Technische Probleme – Tools, Frameworks, Schnittstellen, etc.
  • Know-how-Lücken – Ein Mitarbeiter benötigt Expertise, die gerade nicht verfügbar ist.
  • Arbeitsausfälle – Krankheit, Urlaub oder unerwartete Abwesenheiten behindern den Workflow.

Lösungsansätze:
Während einige dieser Blocker nicht vermeidbar sind, können andere durch klarere Prozesse und bessere Kommunikation minimiert werden. 

Beispielsweise hilft ein strukturiertes Anforderungsmanagement, um Kundenfeedback rechtzeitig einzuholen und unnötige Wartezeiten zu reduzieren. Generell ist die Abstimmung mit dem Kunden ein großes Problem bei Dienstleistern, denn hier ist der Kunde König. Dennoch können mit dem Kunden einige Grenzen vereinbart werden. So ist es z.B. bei manchen Agenturen üblich, gewisse Abnahme-Deadlines zu setzen, d.h. wenn Feedback zu gewünschten Änderungen oder im Review-Prozess nicht nach einer gewissen Zeit erbracht wird, dann werden die Änderungen automatisch als “akzeptiert” deklariert.

Interne Kommunikation ist ein breites Feld. Agenturen haben meist verschiedene Kommunikationskanäle für ihre interne Kommunikation. Das Team-Daily, das Projekt-Board (Tickets), der Firmen-Messenger, sogar E-Mails oder Regelmeetings… um nur die gängigsten zu nennen. In anbetracht der drei Parameter

  • Kontextabhängigkeit
  • Spezifität
  • Zielgruppe

ist für die interne Kommunikation bezogen auf projektspezifische Sachverhalte in jedem Fall das Projektboard zu benutzen, bzw. die Kommentarfunktion des Projektboards, der Tickets etc. 

Durch zu viele unterschiedliche Kommunikationskanäle können Informationen schwer zu finden sein, verloren gehen oder sogar komplett gelöscht werden. Das erzeugt Reibungsverluste, die einfach zu vermeiden sind.

2. Ständig wechselnde Prioritäten durch zu viele Kunden

Agenturen betreuen meist mehrere Kunden gleichzeitig – und jeder Kunde hält sein Projekt für das Wichtigste, was absolut verständlich ist. Das führt dazu, dass bei vielen Agenturen ständig Prioritäten geändert werden. Mitarbeiter müssen sich immer wieder in neue Aufgaben einarbeiten, was zu hohen Kontextwechsel-Kosten führt. Am Ende bleiben viele Aufgaben unfertig, weil immer wieder neue begonnen werden. Die Zeit und vor allem das auf der Straße gebliebene Hirnschmalz beim erneuten "Eindenken" in die halbfertigen Aufgaben führen zu Überlastung und einschleichender, fehlender Motivation.

Lösungsansätze:

  • Klare Priorisierungskriterien definieren und mit Kunden abstimmen.
  • Timeboxing verwenden, um Aufgabenblöcke konzentriert zu bearbeiten (Meilensteine).
  • Feste Zyklen nutzen (Kanban, Scrum), um Prioritäten nicht ständig zu ändern.

3. Ticket-Ping-Pong – Verstecktes WIP

Falls Sie sich schonmal gefragt haben, weshalb ihr Team andauernd beschäftigt ist, mit der wenigen Arbeit aber trotzdem nicht voran kommt, oder Sie sich immer im "Feuerlösch-Modus" befinden, trotz schlechter Auftragslage, dann sind Sie Opfer eines besonders heimtückischen Problems, dem sogenannten Ticket-Ping-Pong oder dem "versteckten" WIP. Dabei schließen Entwickler oder Mitarbeiter ihre Aufgaben nicht vollständig ab, so dass sie zu einem späteren Zeitpunkt im Test oder vor der Abnahme erneut bearbeitet werden müssen. Ein Beispiel:

  • Ein Entwickler hat drei Aufgaben „in Bearbeitung“.
  • Zwei weitere Aufgaben kommen aus der QA zurück, weil sie nicht korrekt umgesetzt wurden.
  • Dadurch entstehen bis zu fünf gleichzeitig bearbeitete Aufgaben – ein viel zu hoher WIP-Wert.

Hauptursachen für Ticket-Ping-Pong:

  • Menschliche Fehler (passieren und sind normal!)
  • unklare oder fehlende Spezifikation der Anforderungen
  • Fehlende Selbstprüfung durch den Entwickler, oft verursacht durch einen
  • hohen Arbeitsdruck aufgrund zu vieler paralleler Aufgaben

Lösungsansätze:

  • vollständige und möglichst unmissverständliche Spezifikation der Anforderungen
  • Höheres Qualitätsverständnis in der Entwicklung fördern (Entwickler testen ihre eigenen Komponenten/Code).
  • Arbeitsdruck reduzieren (WIP-Limits)

WIP-Limits als Abhilfe

Eine bewährte Methode aus Kanban zur Vermeidung eines zu hohen Work in Progress ist die Einführung von WIP-Limits. Diese künstlich geschaffenen Grenzen legen fest, wie viele Aufgaben gleichzeitig bearbeitet werden dürfen.

Vorteile:

  • Vermeidung von Überlastung und Multitasking.
  • Schnellere Fertigstellung von Aufgaben (aufgrund der fehlenden Multitasking-Verluste).
  • Erhöhte Qualität durch konzentriertere Arbeit.

Ein Beispiel für ein WIP-Limit könnte sein: „Maximal zwei Aufgaben pro Entwickler gleichzeitig in Bearbeitung.“ Dadurch wird sichergestellt, dass Aufgaben konsequent abgeschlossen werden, bevor neue begonnen werden.

Dass diese Empfehlung in der Praxis nicht immer zu 100% umgesetzt werden kann, ist absolut klar.
Außerdem ist es für manch einen Projektmanager absolut kontra-intuitiv, die Anzahl der Aufgaben, an denen gerade gearbeitet wird, zu begrenzen. “Dadurch werden die Projekte doch noch länger dauern!”
Hierzu ein klares Nein!
Wenn man Verluste durch ständige Kontextwechsel und Richtungsänderungen minimiert, erhöht sich der Durchsatz mehr, als dass sich das durch eine höhere Anzahl an den zu bearbeitenden Aufgaben bewerkstelligen lässt.
Ein Projektmanager oder Scrum-Master sollte daher mit höchster Sorgfalt darauf achten, dass zu viel WIP nicht die Oberhand gewinnt.

Empfehlung: „Kanban kurz & gut“

Wer sich intensiver mit Kanban und WIP-Reduzierung beschäftigen möchte, findet im Buch „Kanban kurz & gut“ von David J. Anderson ( AMAZON LINK ) eine kompakte und praxisnahe Einführung in das Thema.

Fazit

Ein zu hoher WIP-Wert ist in Agenturen oft ein Zeichen für fehlende Priorisierung, unklare Prozesse oder technische Abhängigkeiten. Durch den Einsatz von WIP-Limits, klaren Prioritäten und verbesserten Testprozessen kann die Anzahl parallel bearbeiteter Aufgaben reduziert werden – was langfristig zu effizienteren Abläufen und zufriedeneren Teams führt.

14.02.2025 Jürgen Krauss